Ankommen heißt mehr als Sprache – Ein Besuch bei der ITAP
Wie aus Integration solidarische Praxis wird
73.000 Menschen sind im Jahr 2025 bereits nach Deutschland geflohen. 73.000 Menschen, die Schutz und Sicherheit suchen. 73.000 Menschen und 73.000 Geschichten, von denen nun erwartet wird, dass sie sich erfolgreich in die deutsche Kultur und Gesellschaft einbringen und integrieren.
Ein riesiger Teil dieser Integration ist das Erlernen der deutschen Sprache. Deshalb befinde ich mich heute in der ITAP, Initiative Togo Action Plus. Eine Deutschschule in Berlin-Friedrichshain, die 2004 ins Leben gerufen wurde. Einer der Gründer ist Komi Edzro, mein heutiger Interviewpartner.
Als ich an der großen Tür des lila Hauses klingele, an dessen Wänden ein großes Antifaschistische-Aktion-Logo gemalt ist, begrüßt mich Komi mit einem breiten Lächeln und bittet mich herein. Sobald ich die Schule betrete, werde ich von einer willkommenen und familiären Atmosphäre empfangen. Es gibt eine Küche, in der ein Tisch mit mehreren Stühlen steht, darauf etwas zu essen und verschiedene Getränke für alle. An den Fenstern stehen Pflanzen und die Wände sind dekoriert. Es ist gemütlich und man fühlt sich sofort wohl. Auffällig sind die Poster und vor allem Fotos, mit denen die Wände dekoriert sind. Es sind Poster von Martin Luther King, Fotos von Ausflügen, von Komi geplanten Freizeitaktivitäten und Zeitungsausschnitte von politischen Aktionen und Demonstrationen der Deutschschule.
Und genau damit unterscheidet sich die ITAP auch von anderen Deutschschulen. Sie ist politisch. Sie ist politisch und steht für mehr als Deutschkurse. Der Grund dahinter liegt vor allem in der Leitung.
Denn Komi selbst ist ein Mensch mit Fluchterfahrung. Er kam 2003 aus Togo nach Deutschland, Sachsen-Anhalt, wo er zunächst in einem Heim für Geflüchtete wohnt. In diesem Heim bildete sich dann bereits 2004 der Grundstein für die heutige ITAP. Der Auslöser dafür ist der Suizid eines
Heimmitbewohners. Komi erzählt, dass viele der Geflüchteten im Heim posttraumatisiert und in Depressionen sind. Die Bundeszentrale für politische Bildung bestätigt das. 70 % der Geflüchteten leiden unter wiederkehrenden Erinnerungen, 40 % unter Albträumen und 50 % unter sogenannten
Flashbacks ihrer traumatischen Erlebnisse. Eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung. Denn viele Menschen, die fliehen müssen, erleben Gewalt, sehen Gewalt, sogar Leichen oder werden gefoltert.
Dass sich daraus PTBS bildet, ist nicht erstaunlich. Was diese Menschen dann benötigen, ist Schutz, Sicherheit und Verständnis. Leider ist dies nicht immer gegeben. Wenn man sich die Zahlen rechter Gewalt anschaut, wird deutlich, dass viele Geflüchtete eher mit dem genauen Gegenteil dessen empfangen werden. Im Jahr 2024 gab es deutschlandweit insgesamt 37.835 rechtsextreme
Straftaten, von denen 1.281 gewalttätig waren. Das sind 104 pro Tag.
Im Jahr 2023 waren es noch 25.660 Straftaten, davon 1.148 gewalttätig. Ein Jahr zuvor waren es noch 5.000 weniger. Wenn man sich diese Zahlen ansieht, wird damit die steigende rechte Stimmung und vor allem die Gewaltbereitschaft deutlich.
Und natürlich gehen nicht alle dieser aufgelisteten Gewalt- und Straftaten an geflüchtete Menschen, dennoch ist es wichtig, das hervorzuheben. Denn auch die allgemeine Stimmung in Medien und Politik scheint immer weiter nach rechts zu rücken. Unser derzeitiger Bundeskanzler geht mit bestem Beispiel an diese Stimmung des Rechtsrucks heran. Nicht nur die Anfang des Jahres
gefallene Brandmauer und der damit zusammenhängende Fünf-Punkte-Plan der CDU zeigen dies hervorragend. Auch am 10. Mai dieses Jahres beschließt die CDU, dass die Kontrollen an Grenzen intensiviert, die Migration begrenzt und die Sicherheit im Land erhöht werden sollen. Das Stichwort „Sicherheit“ erweckt den Eindruck, als wären Geflüchtete eine Gefahr im Land.
Die Gefahr dreht sich allerdings durch die erwähnten Zahlen der rechten Gewalt um 360 Grad. Und nicht nur das. Menschen mit Fluchterfahrung sind statistisch gesehen mehr von Armut betroffen, was beispielsweise der fehlenden Anerkennung von Abschlüssen, einem eingeschränkten
Arbeitsmarktzugang und einer vorhandenen Sprachbarriere geschuldet ist. Außerdem haben Betroffene einer Posttraumatischen Belastungsstörung, was häufig auf Geflüchtete zutrifft, ein höheres Risiko auf Suizid. All diese Aspekte kommen hinzu zu rechten Straftaten und vor allem der steigenden rechten Gewaltbereitschaft. All das ist nicht nur belastend für die Psyche, sondern
tatsächlich lebensbedrohlich. Es benötigt mehr Sicherheit und mehr Solidarität! Und genau dies bietet die ITAP. Sie ist ein Safespace. Mit mehr als nur Deutschkursen. Erst ist es Solidarität und dann ist es eine Deutschschule. Das beschreibt auch mein Interviewpartner Komi.
Damals war es in Sachsen-Anhalt nötig, dass sich die Menschen im Heim gegenseitig unterstützen, dass sie die Menschen vor Ort unterstützen. Dabei kam dann eine Frage immer häufiger auf:„Wie können wir Menschen unterstützen?”
„Wie können wir mehr machen?”
Und genau damit entstand die ITAP. Die Initiative Togo Action Plus. Zuerst ist sie politisch und dann eine Bildungseinrichtung.
Maya T.

