Möhlau – Bedrohung mit Abschiebung nach dem Tod von Azad

Bericht von

Ist Möhlau ein Teufelskreis?english

Das irakische Opfer Azad Murad Hadji, auf den in der Nacht zum Dienstag, dem 30. Juni 2009 ein Brandanschlag verübt worden war, erlag zwei Wochen später, am 14. Juli, schließlich seinen Verletzungen. Statt Solidarität zu zeigen und Schritte zum Schutz der Flüchtlinge zu unternehmen, terrorisierten die Behörden nun die Bewohner mit Deportationsterror.

Trotz der Furcht der Flüchtlinge, die wegen des Todes des verbrannten Opfers Azad im Heim umgeht, erschien am Donnerstag, dem 16. Juli, gegen 5 Uhr früh die Polizei mit 5 Mannschaftswagen, weil sie einen Familienvater aus dem Kosovo namens Stolla abschieben wollten. Dieser Flüchtling hatte viele Jahre in Möhlau gelebt, eines seiner Kinder hatte in Deutschland geheiratet.

Als überraschend die Polizei auftauchte, um ihn zu abzuschieben, wollte der Flüchtling im Falle einer Festnahme Selbstmord begehen und versuchte, aus dem fünften Stockwerk des Hauses zu springen.

Durch den Deportationsterror fiel seine Frau in Bewusstlosigkeit und wurde von einem Krankenwagen in eine Klinik gebracht.

Dieser Flüchtling war gezwungen, unter der Residenzpflicht ohne Arbeitserlaubnis isoliert viele Jahre lang in Möhlau zu leben, ohne jede Zukunftsperspektive. Sein Leben wurde systematisch zerstört. Deswegen protestieren die Flüchtlinge sehr ernsthaft gegen diese Art von Deportationsterror, sie fordern Solidarität und den Respekt vor der Menschenwürde ein.

Ist das Heim in Möhlau ein Teufelskreis?

Übrigens: Die Heimleitung wollte am 5. August ein Fest für die Flüchtlinge veranstalten. Die Flüchtlinge sagten: “Mach dein Fest alleine! Wir wollen, dass dieses Lager geschlossen wird!”

Für weitere Informationen wenden sie sich an den Sprecher der
Flüchtlingsinitiative Möhlau

Salomon Wantchoucou
01743529066

Aufruf zur Demonstration. Rassismus in der BRD nimmt ständig zu!

Pressemitteilung

Rassismus in der Bundesrepublik Deutschland nimmt stetig zu!

Die Flüchtlingsinitiative Togo Action Plus ruft zur Demonstration in Lutherstadt Wittenberg, Sachsen-Anhalt auf. Am 30.07. in Lutherstadt Wittenberg um 11 Uhr 30 amBahnhof. Von dort gehen wir zur Ausländerbehörde.

Der Rassismus in der BRD ist leider nicht gesunken, sondern gestiegen. Die rassistischen Beleidigungen, die rassistischen Attacken und die rassistischen Verletzungen haben viele traumatisierte Opfer hervorgebracht, die ständig in Angst leben.

Die Atmosphäre ist derzeit katastrophal und wir müssen sehr laut sagen, dass dies eine nicht aushaltbare Situation ist. Durch die Atmosphäre von Hass und Rassismus wird Menschen das Vertrauen genommen und sie werden ent-humanisiert.

Am 1. Juli 2009 hatte in Dresden während eines Berufungsprozesses wegen Beleidigung der Angeklagte die Ägypterin Marwa S. vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes niedergestochen und ihren Ehemann verletzt. Ein Mord an einem sicher geglaubten Ort wie einem Gerichtssaal und in Gegenwart von Polizeibeamten zeigt den täglich wachsenden Hass gegenüber Migranten, Religiösen und Flüchtlingen in Deutschland.

Ein Tag vor diesem Fall ist auch in Sachsen-Anhalt eine ähnliche Tragödie passiert. In der Nacht vom 30.Juni auf den 1. Juli 2009 kam der irakische Flüchtling Azad Murad H., der in dem Flüchtlingslader Möhlau in Sachsen-Anhalt lebt, nach einem Spaziergang schwer verletzt und mit gravierenden Brandverletzungen in ein Krankenhaus, wo er seitdem im künstlichen Koma liegt. Als Azad Murat nach Hause zu seiner Frau kam, sagte er ihr, dass er von Nazis fertig gemacht worden sei und danach das Bewusstsein verloren habe. Es ist also von einem rassistischen Angriff auf ihn auszugehen. Für die Bewohner des Heimes ist das nahe liegend.  Immer wieder haben sie Diskriminierungen und Bedrohungen erlebt. Die völlig marode NVA-Kaserne von Möhlau liegt in einem Waldstück mehrere Kilometer von dem kleinen Ort Raguhn entfernt in eine gesellschaftliche Wildnis exponiert. Anfang Mai haben sich Unbekannte mit einem Benzinkanister vor dem Heim herumgetrieben. Diese Isolation im Flüchtlingslager in Möhlau (Landkreis Wittenberg) verhindert die Integration und ist auch eine Verletzung der Menschenrechte und -würde.

Die Ausländerbehörde in der Lutherstadt Wittenberg, die für das Heim in Möhlau zuständig ist, ist sehr bekannt für ihre Repression, Isolation. Gutscheine, Residenzpflicht und Diskriminierung. Für die Bewohner des Heimes wäre die Schließung des Heims die Lösung, damit sie sich in die deutsche Bevölkerung integrieren und solchen rassistischen Angriffen die Grundlage entziehen zu können.

Wir wollen zugleich darauf hinweisen, dass Flüchtlinge, auch vor Gerichtsbesuchen, immer wieder kriminalisiert und nach Waffen durchsucht werden, so als wären sie besonders gewaltbereit. So wurden auch Flüchtlinge aus der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh vor Gerichtsprozessen mehrmals gründlich durchsucht, obwohl es ihnen ferne war, Gewalt auszuüben. Die Gefahr geht in Wahrheit von Nazis aus, doch darum kümmern sich die staatlichen Behörden wenig. Viele Täter werden immer auf freien Fuß bleiben. Deshalb haben sie die Möglichkeit, weitere Anschläge zu verüben.

In Sachsen-Anhalt zeigt sich fast täglich der wachsende Hass gegenüber Immigranten, Religiösen und Flüchtlingen, die in der Minderheit in der BRD sind.

Es gibt viele rassistisch motivierte Fälle, ich selbst bin vor paar Jahren in Halle/Saale Hbf von einem Nazi angegriffen worden. Der Fall von Oury Jalloh ist bisher ungeklärt.

Alle drei Tage ereignet sich statistisch gesehen ein rechtsextremer oder rassistisch motivierter Übergriff in Sachen-Anhalt: von der Einschüchterung über die Bedrohung bis hin zu schwersten Gewalttaten und versuchten Tötungsdelikten. Häufig sind davon Menschen betroffen, z.B. Flüchtlinge und Migranten, die nicht deutsch aussehen. Das Nicht-Hingucken angesichts einer rechtsextremenen oder rassistischen Gewalttat bedeutet für die Opfer deshalb eine spürbare Entsolidarisierung. Es ist diese Entsolidarisierung, die die Macht der Täter festigt, erst sie bewirkt die Ausgrenzung.

Immer wird von Integration gesprochen. Aber wie kann man sich integrieren, wenn man kein Recht auf Bewegungsfreiheit hat, wenn man isoliert im Wald ohne Kontakt zur Bevölkerung wie z.B. in Möhlau lebt. Dort muss man bei Krankheit 3 Tage auf einen Krankenschein warten und erhält nur 20 Euro als Taschengeld und Gutscheine. Dort zu leben bedeutet, dass die Heimbewohner/innen sich ständig bedroht fühlen. Sachsen-Anhalt ist immer noch weit von einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft entfernt. Die Initiative Togo Action Plus möchte die Opfer dieses Klimas nicht allein lassen, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu verbessern. Die Bewohner fühlen sich deprimiert und haben ständig Panikattacken und Kopfschmerzen. Einige Flüchtlinge haben sogar versucht, sich um umzubringen.

Deshalb fordert die Initiative Togo Action Plus die Schließung des Heims in Möhlau und die Bereitstellung von Wohnungen in der Stadt und nicht mehr im Wald, damit die Migranten und Flüchtlinge sich integrieren können!

Wir fordern die Abschaffung der Residenzpflicht und der Repression gegen die Flüchtlinge, die auf diese Situation aufmerksam machen!

Wir fordern ein Ende der Polizeigewalt gegen Migranten und Flüchtlinge!

Bewegungsfreiheit ist Menschenrecht!

Schluss mit dem Machtmissbrauch der Ausländerbehörde!

Die deutschen Behörden sagen auf der einen Seite, dass sie die Ausländer integrieren möchten. Auf der anderen Seite verhindert sie aber Integration durch die Residenzpflicht!

„Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ (GG, Art. 3.3.)

Es wird ein Bus aus Berlin hinfahren. Treffpunkt ist um 9 Uhr bei dem Reisezentrum am Alexanderplatz. Bitte merkt Plätze vor unter der Nr.: 0174 7477656

Komi E., Vizepräsident der Initiative Togo Action Plus. 

Lager Möhlau. Dieser Alltag ist struktureller Rassismus, und die Heimleitung scheut das Licht der Öffentlichkeit

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Wie wir vor wenigen Tagen berichteten, kam der irakische Flüchtling Azad Murad H., der in dem Flüchtlingslager Möhlau in Sachsen-Anhalt lebt, in der Nacht zum Dienstag von einem  Spaziergang schwerstverletzt zurück. Mit schweren Brandverletzungen wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo er seitdem im künstlichen Koma liegt.

Als Azad Murad nach hause zu seiner Frau kam, sagte er ihr, dass ihn “Nazis fertiggemacht” hätten, danach verlor er das Bewußtsein. Es ist also von einem rassistischen Angriff auf ihn auszugehen. Für die Bewohner/innen des Heims ist das nahe liegend. Immer wieder haben sie Diskriminierungen und Bedrohungen erlebt. Die völlig marode NVA-Kaserne von Möhlau liegt in einem Waldstück drei Kilometer von dem kleinen Ort Raguhn entfernt – in einer gesellschaftlichen Wildnis, exponiert. Anfang Mai haben sich Unbekannte vor dem Heim herumgetrieben, die einen Benzinkanister bei sich hatten.

Die Polizei ermittelt nun, und nun wird ein neuer Umstand in die Nachforschungen mit einbezogen: In derselben Nacht hat sich um 1 Uhr 25 in Dessau-Roßlau in einem Dönerladen eine Explosion ereignet.

Es wird auch in der Richtung weitergeforscht und davon ausgegangen, dass der Verletzte davon betroffen war.  Die Mitteldeutsche Zeitung  formuliert zusätzlich die tendenziöse Frage, ob Azad Murad H. die Explosion selbst herbeigeführt hätte – das ist eine infame Wendung in der Berichterstattung, wobei Azad Murads eigene, gegenteilige Äußerung in den Wind geschlagen wird! Hier zeigt sich wieder, dass für den deutschen öffentlichen Konsens die Worte der Flüchtlinge abgewertet werden. Was ist denn mit dieser  Möglichkeit: Dass ein rassistischer Brandanschlag auf den Dönerladen stattgefunden hatte – denn dessen Besitzer war syrischer Herkunft – wobei auch Azad Murad verletzt wurde? Über diese Möglichkeit schweigt die Mitteldeutsche Zeitung. In einem früheren, ausführlicheren Bericht kam die Journalistin Katrin Löwe hier noch auf die Situation der Bewohner/innen zu sprechen – das erscheint viel mehr angebracht.Denn es ist höchste Zeit, dass sich ihre Lebensverhältnisse ändern.

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Während die genauen Umstände noch im Dunkeln verbleiben, wollen wir von Möhlau sprechen, von der Situation der Flüchtlinge, und von der Tatsache der rassistischen Gefahren in Sachsen-Anhalt. Diese lassen sich nicht wegleugnen. Im vergangenen Jahr forderte der rechte Mob in diesem Bundesland drei Todesopfer. Wie viele sollen noch folgen, bevor die deutsche Bevölkerung aufwacht? Unter diesen Umständen wird es Mitverantwortung von Administration und Regierung bedeuten, sowie die in der verlassenen Waldkaserne untergebrachten Flüchtlinge erstmals zum Opfer von Angriffen werden.

Möhlau ist ein Beispiel von strukturellem Rassismus in Deutschland – die ausgegrenzte Lage im Wald, die menschenunwürdigen Lebensverhältnisse, die Restriktion mit der Residenzpflicht. Es ist eines von vielen Beispielen – wie Katzhütte, Bramsche-Hesepe, Bahnsdorf, Trier- der administrativen und politischen Gewaltausübung gegen Flüchtlinge durch Lagerpolitik. Ungefähr 200 Menschen müssen hier leben- zwischen löcherigen Wänden, verrotteten alten Möbeln aus der DDR-Zeit. Es sind viele Familien mit Kindern unter ihnen. Ein Schulbus wird zur Verfügung gestellt, davon abgesehen gibt es keine finanzielle Unterstützung für Bus- oder Bahnfahrten für die Bewohner/innen. Die “Verlassensgestattung” der Ausländerbehörde, um den Landkreis zu verlassen, wird so gut wie nie erteilt. Die Bewohner/innen erzählten uns, dass sie die Behörde in diesem Punkt als “absolut strikt” erleben. Im Vergleich dazu seien die benachbarten Behörden, wie  z. B. in Halle, weniger streng. Es ist ganz deutlich das Zusammenwirken von Unterkunfts- und Residenzpflichtauflage zu beobachten, wodurch die Betroffenen ausgegrenzt werden sollen. Ihre Abhängigkeit wird ihnen jeden Tag bewusst gemacht. Kinder und Jugendliche müssen hier aufwachsen mit dem gesellschaftlichen Stigma und mit dem Gefühl der Ohnmacht.

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Im April dieses Jahres hatten die Bewohner/innen von Möhlau einen Offenen Brief an den Landrat in Wittenberg geschickt, in dem sie die schlimmen Lebensverhältnisse zur Sprache brachten, soziale Sicherheit und Wohnungen für sich forderten. “Wir werden zur Zielscheibe rechtsextremer Übergriffe”, schrieben sie. Der Landrat sah keine Notwendigkeit, sich mit den Flüchtlingen an einen Tisch zu setzen und über Änderungen nachzudenken. In einem junge-Welt-Bericht vom Mai 2009 äußerte der Landratssprecher Ronald Gauert, die geschilderten Missstände seien “übertrieben”, teilweise “falsch”. >  Offener_Brief_der_Flüchtlinge_in_Moehlau

Wenn, wie der Landrat behauptet, alles zum besten steht, warum scheuen dann die Heimleiter/innen das Licht der Presse? Dies berichtete die Karawane nach dem schlimmen Vorfall des Azad Murad H.: “Am Mittwoch kam Razak Minhel vom Dessauer Multikulturellen Zentrum mit Presse zum Lager Möhlau. Die Heimleiterin Frau Salzmann ließ das Tor verschließen und verweigerte den Zutritt. Es sei Privatbesitz. (Besitzer des ehemaligen Kasernengeländes ist Marcel Wiesemann.) Hiergegen protestierten die Flüchtlinge heftig. So musste die Heimleitung die Presse auf das Lagergelände lassen. Sie verweigerte es aber der Presse, in die Wohnungen der Flüchtlinge zu gehen, obwohl dies der private Wohnbereich der Flüchtlinge ist. Über die Wohnsituation der Flüchtlinge konnte so nichts an die Öffentlichkeit gelangen.” Ganzen Bericht lesen

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Wir müssen damit einmal mehr feststellen, dass Flüchtlingen selbst das Recht zur Verfügung über privaten Wohnraum versagt wird – also den Journalist/innen ihre eigenen Behausungen betretbar zu machen, wenn sie es wünschen. Ebenso hatte ja auch seinerzeit die Verwaltung im Lager Katzhütte (Thüringen) anlässlich der Flüchtlingsproteste das Betreten der Räume für Journalist/innen unterbinden wollen. Die Administration im vermeintlich freiheitlich-demokratischen Deutschland fürchtet das Tageslicht, das auf Pressspan-Möbel, offenliegende Stromleitungen, verrostete Wasserhähne fällt. Hier zeigt sich die Schwachstelle der Grundordnung: wenn die vorgeschobenen Behauptungen der Behörden und der Politiker/innen einmal mit der Realität abgeglichen werden, wenn Journalist/innen oder Bürger/innen einmal selbst den Augenschein prüfen wollen.

“Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.” (Art. 22, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte)

Das Lager Möhlau, wie auch die vielen anderen Lager in Deutschland, sind das tägliche Beispiel für die Ausgrenzung und Unterdrückung der Flüchtlinge mitten in der Gesellschaft. Und auch noch die Ignoranz der Behörden, die jetzt der leidenden Familie des Azad Murad H. keine eigene Wohnung in einer Stadt zur Verfügung stellen, sondern sich nur hinter Rechthaberei verschanzen will, führt diese Unterdrückung fort. Möhlau muss geschlossen werden – dafür werden wir weiter aktiv bleiben.

4.7.09 – T.A.P.